von Nadine Dietz (TU Darmstadt), Lena Dunkelmann (Universität Koblenz)

Protokollant*innen und Co-Autor*innen:
Marc Gräf, Katharina Hoffmann und Carla Seibert
(alle Universität Koblenz)

Die offizielle Förderlaufzeit des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung von April 2021 bis März 2024 geförderten Citizen-Science-Projekts Gruß & Kuss – Briefe digital. Bürger*innen erhalten Liebesbriefe endete im März 2024. 
Dies zum Anlass nehmend, kamen am 7. und 8. März 2024 an der Universität Koblenz das Gruß & Kuss-Team, Wissenschaftler*innen, Bürgerwissenschaftler*innen, Studierende und Interessierte im Rahmen der Abschlusstagung des Projekts zusammen. Gemeinsam wurden drei Jahre intensive Projektarbeit reflektiert, Erkenntnisse und Ergebnisse bürgerwissenschaftlicher Forschung aus Gruß & Kuss vorgestellt und die Chancen und Herausforderungen von Citizen Science in den Geisteswissenschaften im Rahmen einer Panel-Diskussion betrachtet. Ergänzt wurde die Tagung mit mehreren Vorträgen anderer Citizen-Science-Projekte, die ihre Erfahrungen und Perspektiven teilten. Ebenso gab es weitere wissenschaftliche Beiträge zur (Liebes-)Briefforschung.
Parallel zur Tagung fand darüber hinaus eine Poster- und Liebesbriefausstellung statt, in der Liebesbriefe aus dem Liebesbriefarchiv sowohl in Form von Faksimiles als auch audiovisuell zur Schau gestellt und erfahrbar gemacht wurden. Einen visuellen Rückblick auf die letzten drei Projektjahre bot dazu eine Diashow, die Einblicke in die vergangenen und vielfältigen Gruß & Kuss-Veranstaltungen gab.

Unter Gruß & Kuss-Abschlusstagung finden Sie weitere bildhafte Eindrücke zu beiden Tagungstagen sowie zur Poster- und Liebesbriefausstellung.

Abschlusstagung Tag 1: Mit Gruß, Kuss und Cocktails

Als Leiterinnen des Projekts Gruß & Kuss eröffneten die Verbundkoordinatorin Prof. Dr. Andrea Rapp (TU Darmstadt) und Verbundpartnerin sowie Gründerin des Liebesbriefarchivs Prof. Dr. Eva Lia Wyss (Universität Koblenz) die Abschlusstagung.

Gegrüßt wurden alle Anwesenden, die sich trotz einiger Hindernisse vor Ort oder digital zur Abschlusstagung eingefunden haben – denn aufgrund des GDL-Streiks wurde die Veranstaltung kurzfristig auf hybrid umgestellt. Bedankt wurde sich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung für die großzügige Förderung des Projekts, bei den beteiligten Institutionen sowie der Universitätsbibliothek Koblenz, die das analoge Liebesbriefarchiv beherbergt, bei den Briefspender*innen, die dieses Archiv erst möglich machen, bei den beteiligten Bürger*innen, Fachkolleg*innen und dem gesamten Projekt-Team, das die Abschlusstagung geplant und organisiert hat.
Dem folgte ein Grußwort des Präsidenten der Universität Koblenz, Prof. Dr. Stefan Wehner, in dem er seinen Dank aussprach, dass die Universität Koblenz Heimstätte des Liebesbriefarchivs und Partner in einem so außerordentlichen Projekt wie Gruß & Kuss sein darf. Trotz solch außergewöhnlichen Unterfangen sei gleichzeitig aber auch die geringe Unterstützung zu bedauern, die die Geisteswissenschaften erfahren. Der Präsident betonte deshalb die Notwendigkeit der Förderung in diesem Bereich. Umso erfreulicher sei, dass im Rahmen der Abschlusstagung die Geisteswissenschaften und die Ergebnisse von Gruß & Kuss präsentiert werden und nicht nur ein interdisziplinärer Austausch, sondern auch der Austausch mit der Gesellschaft stattfinde.

Prof. Dr. Stefan Wehner, Präsident der Universität Koblenz. CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Projekt Gruß & Kuss (Andrea Rapp)

Nach der Eröffnung der Tagung gab Projektleiterin Andrea Rapp einen Über- und Einblick in das Projekt Gruß & Kuss, eines der wenigen geistes- und kulturwissenschaftlichen Projekte, die im Rahmen der zweiten Förderrichtlinie Citizen Science des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert werden.

Rapp unterstrich die Besonderheit des Liebesbriefarchivs und dass dieses der privaten Liebeskommunikation, die in regulären Archiven keinen Platz findet, ein Zuhause bietet. Denn auch private Liebesbriefe haben in ihrer vielfältigen Ausgestaltung als Liebesbekundung, Alltagsplauderei oder Abschiedsbrief einen ‘überindividuellen Charakter’, die es wert seien, gesammelt und erforscht zu werden.
Als Citizen-Science-Projekt, das sich methodisch an den vier Partizipationsstufen Muki Haklays1 orientiert, werden Bürgerwissenschaftler*innen in verschiedene Bereiche der Liebesbriefforschung eingebunden: Gemeinsam sollen Liebesbriefe gesammelt, archiviert, digitalisiert, erschlossen und bearbeitet werden. Nicht zuletzt wurde das (interdisziplinäre) Potential von Gruß & Kuss betont: Das Projekt versteht sich selbst als Grundlagenforschungsprojekt, u.a. in den Bereichen Liebesbriefforschung, Citizen Science in den Geisteswissenschaften, Public History und Wissenschaftskommunikationsforschung. 

Es ist wichtig, auch die Briefe privater Personen aus der Mitte der Gesellschaft und nicht nur die Werke großer Denker*innen als Kulturerbe zu betrachten, das es wert ist, erhalten und erforscht zu werden.

Prof. Dr. Andrea Rapp (TU Darmstadt), 7. März 2024

Und auch abseits von Gruß & Kuss verfügt das Liebesbriefarchiv über vielfältiges Potenzial in Forschung und Kommunikation sowie ‘shared heritage – shared ownership’ (geteiltes Erbe und geteilter Besitz).

Prof. Dr. Andrea Rapp (TU Darmstadt, Gruß & Kuss-Verbundkoordinatorin). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Birte C. Gnau-Franké

Forschung im Liebesbriefarchiv (Eva Lia Wyss)

Anschließend gab Liebesbriefarchivgründerin Eva Lia Wyss einen Überblick über die Forschung des Archivs und begann mit dessen Gründungsgeschichte. Das Liebesbriefarchiv entstand in einem Kontext der kritischen Diskursanalyse und dem Hinterfragen alter Erkenntnisse, wobei eine empirisch-beschreibende Perspektive eingenommen wurde.

Ziel war es, den wirklichen Liebesbrief, der nicht für die Veröffentlichung gedacht war, fernab von Mythen (neu) zu entdecken – auch als eine ‘Sprachgeschichte von unten’2.

Prof. Dr. Eva L. Wyss (Universität Koblenz), 7. März 2024

Mit diesem Ziel gehen verschiedene Fragestellungen einher; beispielsweise nach dem Wandel der Liebesbriefe, aber auch nach den Herausforderungen hinsichtlich ihrer Erforschung: Wie kann mit solch authentischen (unredigierten) Dokumenten oder mit intimer Kommunikation umgegangen werden?

Im Zuge der Forschung des Archivs wurde 2014 ein System der computerphilologischen Entwicklung zur langfristigen Archivierung sowie ein Katalog eingeführt, wodurch eine systematische Erschließung (Digitalisierung, Erfassung von Metadaten) ermöglicht wurde. Durch diese Schritte der wissenschaftlichen Erforschung wurde aus dem Archiv ein wissenschaftliches Korpus, das seit 2019 auch von Studierenden in universitären Seminaren erschlossen wird. Somit dient das Liebesbriefarchiv und seine Forschung auch den Nachwuchswissenschaftler*innen zur weiteren Qualifizierung.

Prof. Dr. Eva Lia Wyss (Universität Koblenz, Gruß & Kuss-Verbundpartnerin und Gründerin des Liebesbriefarchivs). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Die Forschung des Liebesbriefarchivs bietet auf induktive Art und Weise neue Erkenntnisse in den Bereichen der Textsorte, der kommunikativen Gattungen und deren Wandel. Vor allem Briefe aus dem 20. Jahrhundert können exemplarisch für diesen Wandel stehen, lässt sich hier doch gerade ein Zuwachs an Briefanlässen beobachten. So findet man hier beispielsweise mehr kurze, spontane Kommunikation. Aber nicht nur die Anlässe, sondern auch die Medienformate ändern sich: Neben hand- oder maschinengeschrieben Briefen treten zunehmend digitale Formate wie Mails oder WhatsApp-Nachrichten auf. Trotz dieser besonderen Wandelbarkeit kann der Liebesbrief in all seinen medialen Formen und Inhalten als Schriftstück definiert werden, in dem Liebe ausgedrückt wird. 

Panel-Diskussion: Citizen Science in den Geisteswissenschaften – Chancen und Herausforderungen

Zum Ende des 1. Tagungstages folgte eine Panel-Diskussion zum Thema “Citizen Science in den Geisteswissenschaften – Chancen und Herausforderungen”. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Aglaia Schieke von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Die Teilnehmer*innen der Diskussion setzten sich zusammen aus Wissenschaftler*innen, Gruß & Kuss-Bürgerwissenschaftler*innen und mitarbeitenden Studierenden.

Die Teilnehmer*innen der Panel-Diskussion. Von links: Inka Engel, Nadine Völkl, Andrea Rapp, Marc Gräf, Madeleine Hamm, Aglaia Schieke. CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak.

In der Panel-Diskussion wurde auf die besondere Herausforderung von geisteswissenschaftlichen Citizen-Science-Projekte eingegangen, wie Gruß & Kuss eines ist. Aber auch darauf, welche Chancen und welchen Mehrwert gerade geisteswissenschaftliche Citizen-Science-Projekte bieten.

Alles zu den Fragen und Inhalten der Panel-Diskussion finden Sie im Beitrag zu Citizen Science in den Geisteswissenschaften – Chancen und Herausforderungen.

Zum Abschluss des 1. Tagungstages kamen alle Teilnehmer*innen zu einem Welcome Cocktail zusammen. 

Abschlusstagung Tag 2: Citizen Science und (Liebes-)Briefforschung 

Der zweite Tagungstag widmete sich dem Thema Citizen Science und der (Liebes-)Briefforschung. Wissenschaftler*innen aus ganz Deutschland und sogar aus Belgien haben sich mit Vorträgen am Tagungsprogramm beteiligt – und aus linguistischer, literaturwissenschaftlicher sowie historischer Perspektive berichtet. Moderiert und begleitet wurde der 2. Tagungstag von den Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Gruß & Kuss-Projektes Nadine Dietz (TU Darmstadt) und Lena Dunkelmann (Universität Koblenz).

Session 1: Gruß & Kuss, Liebesbriefforschung und Love Coding App

Die erste Session war der Forschung des Projekts Gruß & Kuss und des Liebesbriefarchivs gewidmet. Angefangen bei einem Erfahrungs- und Ergebnisbericht über einen Teilbereich der Liebesbriefforschung im Liebesbriefarchiv hin zu einem praktischen Hands-on Workshop zur Love Coding App.

Citizen Science in practice – Die Gruß & Kuss-Formate (Nadine Dietz, Lena Dunkelmann)

Nadine Dietz (TU Darmstadt) und Lena Dunkelmann (Universität Koblenz) waren beide an den jeweiligen Projektstandorten für die Projektkommunikation und -koordination zuständig und betreuten die dortigen Gruß & Kuss-Bürgerwissenschaftler*innen sowie die monatlichen Liebesbriefstammtische. Dietz und Dunkelmann berichteten in ihrem Vortrag über das Gruß & Kuss-Projekt aus der aktiven Projektpraxis heraus und stellten dabei die im Projekt entwickelten und durchgeführten Partizipationsformate sowie die Ergebnisse der Projektevaluation vor, die Ende 2023 durchgeführt wurde. 

Dietz erläuterte die Herausforderungen von geisteswissenschaftlichen Citizen-Science-Projekten, auch Social Citizen Science genannt, mit denen auch Gruß & Kuss zu kämpfen hatte; z.B. technische Hürden (gerade für älteren Bürgerwissenschaftler*innen) und die Sicherstellung wissenschaftlicher Datenqualität.3
Anschließend wurden die verschiedenen Gruß & Kuss-Veranstaltungsformate vorgestellt: Die Formate reichen von öffentlichen Informationsveranstaltung und Lesungen zur Akquirierung von Bürgerwissenschaftler*innen über digitale Transkriptions- und Einführungsworkshops in die Liebesbriefforschung bis hin zu größeren Stelldicheins und Liebesbriefstammtischen. Ein Zeitstrahl der Projektlaufzeit mit sämtlichen Formaten, Veranstaltungen, Meilensteinen und Highlights verdeutliche das immense Unterfangen des Projekts.

Nadine Dietz (Technische Universität Darmstadt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gruß & Kuss-Projekt) und Lena Dunkelmann (Universität Koblenz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Gruß & Kuss-Projekt). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Andrea Rapp

Im Anschluss stellte Dunkelmann die Ergebnisse der Projektevaluation vor; neben demographischen Daten wurden die Beweggründe für die Teilnahme am Projekt sowie die Einschätzung der Bürgerwissenschaftler*innen, einen Beitrag zur Wissenschaft und zum Erhalt des kulturellen Erbes geleistet zu haben, evaluiert. Fehlende finanzielle, personelle und digitale Ressourcen, eine zu kurze Projektzeit und die Entscheidung für die Transkriptionsplattform Transkribus lite wurden als die größten Herausforderungen herausgestellt, ebenso wie die teils subjektive Perspektive seitens der Bürgerwissenschaftler*innen, die bei der Erforschung der Liebesbriefe eingenommen wurde. Dennoch erkannten die Bürgerwissenschaftler*innen den Wert, den ihre eigene Mitarbeit hatte und hoben das Projekt und die Betreuung besonders positiv hervor. Ein Großteil der Befragten kann sich vorstellen, auch nach Gruß & Kuss wieder an einem Citizen-Science-Projekt teilzunehmen. 

Die anschließende Diskussion mit dem Publikum verdeutlichte, dass bisher erst ca. 6% der Liebesbriefe aus dem Archiv transkribiert wurden und noch einiges an Transkriptionsarbeit geleistet werden muss (vor allem wegen des immensen Zuwachses an Briefspenden während der Projektzeit). KI hierfür als Hilfsmittel einzusetzen, gestaltet sich zum aktuellen Zeitpunkt noch als schwierig, da es sich bei den Liebesbriefen des Liebesbriefarchivs um besonders heterogenes Material handelt. Die meisten KI-Programme sind so programmiert, dass sie automatisch interpretieren und bei Rechtschreibfehlern korrigierend eingreifen, was nicht das Ziel des Projektes sei. Gewünscht ist eine diplomatische, das heißt buchstabengetreue Abschrift, um die Authentizität der Schriftstücke zu bewahren – und dafür braucht es die Unterstützung von Bürgerwissenschaftler*innen.

Warum sammelt das Liebesbriefarchiv auch digitale Nachrichten? Über eine neue Form der Liebeskommunikation in sozialen Medien (Birte C. Gnau-Franké)

In ihrem Vortrag stellte Birte C. Gnau-Franké (Universität Koblenz, geschäftsführende Leiterin des Liebesbriefarchivs) heraus, warum es lohnenswert ist, nicht nur prototypische Liebesbriefe zu erforschen, sondern auch digitale Liebeskommunikation; denn es gibt eine Vielzahl von Liebesbrieftypen und durch den technischen Wandel auch eine Vielzahl an medialen Realisationen. Gnau-Franké beleuchtete verschiedene Beispiele für digitale Liebeskommunikation auf Facebook, Instagram und WhatsApp: Facebook und Instagram werden oft als Plattformen genutzt, um Erinnerungen festzuhalten (z.B. vom Hochzeits- oder Valentinstag). Typische Merkmale sind der Gebrauch von Kosenamen und Neologismen, die direkte Ansprache der geliebten Person, das Unterstreichen des “Wir” sowie der Gebrauch von Emojis und Hashtags. WhatsApp-Korrespondenzen zeichnen sich durch ‘Guten Morgen-’ und ‘Gute Nacht-Rituale’, Emojis sowie Sehnsuchts- und Liebesbekundungen aus. Ebenso gibt es Liebesbriefe, die über WhatsApp verschickt werden und sich inhaltlich nicht von papiernen Liebesbriefen unterscheiden.

Birte C. Gnau-Franké (Universität Koblenz, geschäftsführende Leiterin des Liebesbriefarchivs) 
CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Formen der etablierten Liebeskorrespondenz seien heute in die sozialen Medien verlagert worden, was nicht zwingend heißt, dass der Liebesbrief dadurch ersetzt werde; in vielen Fällen handele es sich lediglich um eine mediale Verschiebung. 
Aus den anschließend folgenden Fragen aus dem Publikum ging hervor, dass es bisher nur einen recht kleinen Fundus an digitaler Liebeskommunikation gibt und somit entsprechend umfangreiche Untersuchungen zur Qualität von Messengernachrichten und Liebesbriefen im Vergleich noch ausstehen. Oft finden sich nur sehr wenige digitale Liebesnachrichten zwischen z.B. mobil verschickten Einkaufszetteln, es gibt aber auch lange Liebesbriefe, die sich inhaltlich und formal an auf Papier verfassten Briefen orientieren. Digitale Liebesbotschaften – z.B. per WhatsApp – können als Screenshot oder als ZIP-Datei dem Liebesbriefarchiv gespendet werden.

Hands on: Love Coding App (Stefan Büdenbender)

In einer Hands-on Session stellte Dr. Stefan Büdenbender (Hochschule Darmstadt) die Love Coding App vor, die auf bekannte Schwierigkeiten bei der Transkription von Liebesbriefen aus dem Liebesbriefarchiv reagieren und auf lange Sicht eine Alternative zur bisher im Gruß & Kuss-Projekt genutzten Transkriptionsplattform Transkribus lite darstellen soll. 

Dr. Stefan Büdenbender (Hochschule Darmstadt, bis 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Gruß & Kuss). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Mit der App werden mehrere Anwendungsbereiche abgedeckt, sie soll browserbasiert und niedrigschwellig sein und kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Zur Entwicklung der Love Coding App wurde mit den Programmautor*innen des Tools LEAF-Writer zusammengearbeitet. Die App wird stetig weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Liebesbrieftranskriptionen angepasst.

Dr. Stefan Büdenbender (Hochschule Darmstadt, bis 2023 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Gruß & Kuss). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Leonie Edelmann

Anschließend demonstrierte Büdenbender die bisherige Funktionsweise der Love Coding App und spielte diese gemeinsam mit dem Publikum durch: Bestehende Transkriptionen und Faksimiles können geöffnet, die Transkriptionen überarbeitet und mit Metadaten gekennzeichnet sowie mit Tags und Normdatenbeständen (z.B. die der Deutschen Nationalbibliothek) versehen werden. 
Weit genug in der Entwicklung ist die Love Coding App noch nicht, auf lange Sicht könnte sie aber bisher genutzte Transkriptionsplattformen ersetzen und im Citizen-Science-Bereich nachgenutzt werden.

Als Highlight am Vormittag wurde die Tagung von einem Kamerateam des SWR Aktuell besucht. Während der Vorstellung der Love Coding App und der darauffolgenden Kaffeepause wurden die Leiter*innen sowie eine der ältesten und jüngsten Bürgerwissenschaftler*innen des Gruß & Kuss-Projekts in der parallel stattfindenden Poster- und Liebesbriefausstellung interviewt. 

Den Beitrag können Sie sich hier ansehen: Liebesbrief-Projekt in Koblenzer Archiv geht zu Ende.

Session 2: Citizen Science und Kulturerbe

Die zweite Session widmete sich den Erfahrungen anderer Citizen-Science-Projekte, die wie Gruß & Kuss ebenfalls im Kulturerbesektor angesiedelt sind und Transkriptionsarbeiten als eine vorrangige Partizipationsmöglichkeit für bürgerwissenschaftliches Engagement haben.
Aufgrund des GDL-Streiks konnte nur ein Vortrag gehalten werden; der Vortrag von Moritz Müller zum Thema Partizipative Transkription im digitalen Zeitalter Tools, Methoden und Formen musste abgesagt werden. Dieser Beitrag wird allerdings in der geplanten Tagungspublikation erscheinen.

Citizen Science & Regionalsprachenforschung – Erfahrungen, Tools, Perspektiven (Lisa Dücker, Hanna Fischer)

Prof. Dr. Hannah Fischer (Universität Rostock) und Dr. Lisa Dücker (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, Philipps Universität Marburg) gaben Einblicke in die Arbeit mit lexikalischen und grammatischen Varietäten sowie die Veränderung von regionaler Sprache – und wie deren Erforschung in Zusammenarbeit mit Bürger*innen geschieht. Das Interesse von Bürger*innen wird damit erklärt, dass Dialekte als Sprache der Kindheit und des Herzens gesehen und als bedroht wahrgenommen werden. 

Prof. Dr. Hannah Fischer (Universität Rostock) und Dr. Lisa Dücker (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Das Ziel des Projektes ist die Anerkennung und Aufwertung dieser Varietäten, der Aufbau eines wissenschaftlichen Interesses für Dialekte sowie deren Sicherung und Erschließung. Die Teilnahmemöglichkeiten der Bürger*innen sind vielseitig, nicht nur, weil die Forschung auf muttersprachige Dialektsprecher*innen angewiesen ist: Da die Digitalisate transliteriert, d.h. von einem Schriftsystem in ein anderes übertragen werden müssen, sind Handschrift- und Dialektkompetenzen notwendig, die in vielen Fällen von den Bürger*innen angeboten und zur Verfügung gestellt werden.

Dr. Lisa Dücker (Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas).
CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Die verwendeten Tools sind unter anderem verschiedene Dialekterhebungsapps, die Äsop Plattform, die als Sprachatlas fungiert, Lingscape als App um die schriftlichen Vorkommnisse von Varietäten im Land zu fotografieren und geographisch zu verorten, die Webseite AlpiLink für die Zusammenarbeit von Schüler*innen und Senior*innen/Erwachsenen sowie die Wenkerbogen-App. Diese stellt digitale Versionen der Sprachatlaskarten von Georg Wenker zur Verfügung.

Session 3: Citizen Science goes digital

Nach einem gemeinsamen Buffet-Mittagessen startete die dritte Session, die sich ebenfalls mit dem Thema Citizen Science beschäftigte – aus netzliteraturwissenschaftlicher Sicht sowie mit einer praxisnahen Erfahrung eines weiteren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der zweiten Förderrichtlinie Citizen Science geförderten geisteswissenschaftlichen Projekts (Social Media History – Geschichte auf Instagram und TikTok). 

Citizen Science: Wissenschaft in einer digitalen Gesellschaft aus netzliteraturwissenschaftlicher Sicht (Thomas Ernst)

Der von Prof. Dr. Thomas Ernst (Universität Antwerpen) online gehaltene Vortrag beschäftigt sich mit einer netzliteraturwissenschaftlichen Perspektive auf die Wissenschaft. Ausgangspunkte sind die Potenziale der digitalen Wissenschaft, die neue mediale Möglichkeiten wie eine gewisse Öffentlichkeit, Verfügbarkeit von Daten und die Erleichterung kollaborativer Arbeitsformen einschließt. Allerdings, so Ernst, seien die vielfältigen Probleme einer digitalen Öffentlichkeit nicht zu missachten: So verwische die Grenze zwischen Wissenschaft und Bevölkerungswissen. Beispielsweise existiere in Talk Shows eine falsche Balance: Wissenschaftler*innen dienen fast ausschließlich als Stichwortgeber*innen, was zu einer problematischen Wissenschaftskommunikation in den Sozialen Medien führe. Politische Angriffe auf Wissenschaft und Wissenschaftler*innen finden vermehrt statt. Es stellt sich die Frage, wie man noch integre Wissenschaftlichkeit, vor allem in Bezug auf Öffentlichkeit und Halbwahrheiten, erzeugen könne. Hier sieht Ernst die Notwendigkeit für Wissenschaftskommunikation zur Grenzziehung und zum Aufbau eigener Portale.

Prof. Dr. Thomas Ernst (Universität Antwerpen). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Bezüglich der Gegenstände von geisteswissenschaftlichen Citizen-Science-Projekten führt Ernst an, dass Daten Segen und Problem zugleich seien: Der Konflikt zwischen öffentlichen und privaten Daten sei noch lange nicht geklärt. Auf der institutionellen Seite ist Citizen Science teils auch eine Antwort auf #ichbinhanna4, da fehlende wissenschaftliche Ressourcen sowie die zeitgleiche Auslagerung wissenschaftlicher Arbeit ins Ehrenamt ein Dilemma darstellen. Es sei eine Notwendigkeit, eine klare Abgrenzung von wissenschaftlichen Tätigkeiten in Institutionen einerseits und von zusätzlichen wissenschaftsnahen Tätigkeiten von Bürgerwissenschaflter*innen andererseits vorzunehmen. Schwierig sei beispielsweise, Arbeitsbereiche wie Projektleitung und Herausgeberschaften an Bürgerwissenschaftler*innen oder ins Ehrenamt zu übertragen.

Ernst hob hervor, dass die Betreuung von geisteswissenschaftlichen Citizen-Science-Projekten (Citizen Humanities) selbst institutionalisiert werden sollte. 

Prof. Dr. Thomas Ernst (Universität Antwerpen). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Die Diskussion mit dem Publikum fokussiert sich vor allem auf die vorgeschlagene Institutionalisierung von Citizen Humanities. Die Frage kam auf, wie die jeweiligen Institutionen solche Programme installieren könnten, da alles als sehr ressourcenintensiv beschrieben wurde und als neuer Forschungsbereich benötige dieser neue Abteilungen, um dem Bedarf an Ressourcen gerecht werden zu können. Vor allem aber müsse dies projektbasiert betrachtet werden. Aber auf längere Sicht brauche es an den Universitäten in allen Departements ausreichend Mitarbeitende, die in die Wissenschaftskommunikation hineinschauen, was auch heißen kann, man trifft sich mit interessierten Bürger*innen und tauscht sich mit ihnen aus, außerhalb der Standardkommunikationsformen in Sozialen Medien. Es brauche mehr Wissen über die Verzahnung von Wissenschaft und Citizen Humanities.

Geschichtswissenschaft zwischen Social Media Posts und Zoom Meetings – Erfahrungen aus dem Citizen-Science-Projekt #SocialMediaHistory (Mia Berg, Andrea Lorenz)

Andrea Lorenz (Universität Hamburg) und Mia Berg (Ruhr-Universität Bochum) stellten online via Zoom das in der Geschichtswissenschaft verortete Citizen-Science-Projekt Social Media History – Geschichte auf Instagram und TikTok vor, das aus einer “public history” Perspektive auf Geschichte schaut und untersucht, was für wen wie mit welcher Bedeutung und zu welchem Zweck als Geschichte konstituiert und verhandelt wird. Bei dem Projekt geht es um die Erforschung der Geschichtsdarstellung in den Sozialen Medien und um das kritisch-reflektive Teilhaben an Geschichtsdiskursen. Postings zu Geschichte haben unterschiedliche Ziele; sie finden als alltägliche Dokumentation von alltäglichen Erlebnissen statt. 

Herausforderungen stellen sich unter anderem in der dynamischen Entwicklung der Medien, in Big Data und seiner Unerschließbarkeit, (fehlenden) technischen Kompetenzen was die Datenerhebung betrifft, rechtliche Fragen wie Datenschutzbelange und der Algorithmisierung von Social-Media-Profilen und dem ausgespielten Content (Subjektivität und Repräsentativität). 

Mia Berg (Ruhr-Universität Bochum). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Leonie Edelmann

Wie bei Gruß & Kuss auch stellten die Projektbeteiligten fest, dass es an notwendigen Ressourcen fehlt: So wurden Ziele wie die einer permanenten Kommunikation, einer steten Offenheit und eines hierarchiefreien Arbeitens nicht erfüllt wie erhofft. Hierarchien wurden von den Teilnehmer*innen zum Teil vorausgesetzt, zum Teil erschwerten universitäre Logiken wie lange Warte- und Prozesszeiten und die Pandemie die Umsetzung und das Vorantreiben des Projektes. Zu den Ergebnissen, die sich aus dem Projekt entwickelt haben, zählen unter anderem ein Sammelband “Geschichte auf Instagram und TikTok. Perspektiven auf Quellen, Methoden und Praktiken”, eine Tagung unter dem Titel “#History on Social Media” und sich in Vorbereitung befindende OER-Lernmaterialien. Die durch das Projekt gesammelten Erfahrungen sollen als Denkanstoß für zukünftige, geschichtswissenschaftliche Citizen-Science-Projekte genutzt werden. 

Das Publikum interessierte vor allem, wie es nach dem Ende des Projektes mit den Bürger*innen weitergeht und welche Benefits es für die Teilnehmer*innen gab. Beantwortet wurde diese Fragen damit, dass mit dem Auslaufen des Projekts die Arbeit des DabeiRats5 und der Bürger*innenbeteiligung auch vorbei sein wird, was den Beteiligten offen kommuniziert wurde. Erhofft wurde sich, dass sich die Bürger*innen durch das Projekt Medienkompetenz aneignen, sodass sie im Umgang mit Social Media selbstständiger und selbstbewusster werden.

Session 4: (Liebes-)Briefforschung

Nach einer weiteren Kaffeepause startete die letzte Vortragssession der Gruß & Kuss-Abschlusstagung. Sie widmete sich drei Beiträgen zur Briefforschung und einem Ausblick auf das Potential, das für Gesellschaft und Wissenschaft in der digitalen Erschließung unseres Kulturguts Brief steckt.

‘Einfache’ Briefschreiber*innen als Akteur*innen einer alternativen Sprachgeschichte des Deutschen (Stefan Elspaß)

Den Beginn machte Prof. Dr. Stephan Elspaß (Paris Lodron Universität Salzburg), der deutlich hervorhob, dass die bisherige Brief- und Sprachforschung soziolinguistisch inadäquat abgelaufen sei, da wenig Interesse an den Alltags-Agent*innen und der Variation der Sprachgeschichte bestand und innerhalb der Forschung nur Akteur*innen mit großen Namen berücksichtigt wurden. Der soziolinguistischen Perspektive unterliege eine Variantenselektion, weil nur die gedruckte Schriftsprache, keinesfalls aber die literatursprachlichen Textsorten bisher untersucht wurden. Elspaß betonte deshalb die Bedeutsamkeit einer alternativen Sprachgeschichte, die mit der zentralen Frage „Wer zu Wem und Wann spricht“, die auch die generell zentrale Frage der Soziolinguistik darstellt, sich aber eher auf die Standardsprache bezog, angegangen werden könne. 

Ein Vorschlag sei, einen historisch-soziolinguistischen Ansatz zu wählen, der einen radikalen Wechsel der Sprachgeschichte mit sich bringt.

Prof. Dr. Stefan Elspaß (Paris Lodron Universität Salzburg). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Es sind ’speech-like‘ Korrespondenzen des Alltags, die zum neuen Datenmaterial der soziolinguistischen Forschung werden. Anschaulich führt Elspaß diesen Ansatz aus, indem er sein eigenes Korpus erläutert, das aus 648 Briefen von Emigrant*innen besteht. Sie seien nur unter der glatten Oberfläche der Standardsprache gewesen und kämen nun hoch, was er an Briefbeispielen belegte. Er schließt daraus, dass die Standardisierung des Deutschen nicht durch Akteur*innen der sprachlichen Nutzung passiert sei, sondern eher durch die Orientierung an alten Grammatiken oder dem Schuldeutsch aus dem 19. Jahrhundert. 

Zuletzt führt er an, dass es mehr Forschung innerhalb der historisch-sozioloinguistischen Perspektive bedürfe, also eine Perspektive auf sprechende und schreibende Menschen. 

In der anschließenden Publikumsdiskussion kam eine Frage zum Tragen: “Inwiefern ist die Normsprache in den Briefen denn zu finden, weil sie unter enormen Druck geschrieben und überwacht wurden (bspw. Von den Eltern)?” Herr Elspaß erklärte dazu, dass es darauf ankomme, welchem sozialen Milieu man angehöre und es eine Adressatenangelegenheit sei. Nicht jeder Brief sei unter normativen Druck geschrieben, ganz im Gegenteil, eher die wenigsten Briefe.

Die Ehefrau als versteckte Briefschreiberin: Der Wandel von Grußformeln als Identitätsmarker für Autor*innenschaft am Beispiel der Briefserie Ernst und Marie Kuchenbecker, 1890 bis 1932 (Ursula Lehmkuhl) 

In ihrem Vortrag stellte Prof Dr. Ursula Lehmkuhl (Universität Trier) ihr Untersuchungskorpus vor, das aus 51 Briefen bestand. Die Briefe wurden zwischen 1890 und 1932 von Ernst Kuchenbecker verfasst – so zumindest bisher angenommen. Für die Forschung spannend: den Briefen ab 1897 ist eine andere Handschrift zu finden, wonach die Briefe eben (nicht nur) von Ernst Kuchenbecker, einem deutschen Auswanderer, der in Rentendorf (Thüringen) geboren wurde, stammen, sondern ein Teil der Briefe seiner zweiten Ehefrau, Anna Marie Stettler, zugeschrieben werden können. 

Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl (Universität Trier). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Von den 51 Dokumenten lassen sich durch die Handschrift und durch die darin verwendete Sprache nur 17 Ernst Kuchenbecker zuordnen, die restlichen Briefe wurden vermutlich von Marie verfasst. Auch ist inhaltlich zu erkennen, dass manche Briefe eigenständig und manche diktiert niedergeschrieben worden sind. Bis 1903 sei die Verabschiedung in den Briefen immer mit „Ernst + Frau“ geschrieben worden. 1903 wird die vermeintliche Schreiberin selbstbewusster und beendete die Briefe mit „im Auftrag von Ernst, Eure Marie Kuchenbecker“. 

Lehmkuhl schließt daraus, dass sich eine Positionierung der Frau in der Familie als tragende Säule hat etablieren können, weil sie ihren Namen nennt und alle anderen subsumiert, was bedeutet, dass sie stets selbstbewusster und bestimmender geworden sei und beendet damit ihren Vortrag.

Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl (Universität Trier). CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Das Publikum beschäftigte vor allem, ob bereits mehrere bisher unbekannt gebliebenen Briefschreiberinnen wie Marie Kuchenbecker ermittelt und herausgestellt werden konnten und ob Citizen Science hier womöglich ein hilfreicher Ansatz sein könne. Lehmkuhl beantwortete diese Ansätze mit dem bisher vorherrschenden Problem einer ungleichen Verteilung von beigemessener Relevanz; verfügbaren Ressourcen werden wenig für Akteur*innen des Alltags genutzt. Der Citizen-Science-Ansatz sei hier vor allem auch wegen der hohen Fluktuation der Bürger*innen problematisch, wie sich in vergangenen Versuchen gezeigt hat. 

Und was kann man jetzt damit machen? – Vom Potential digitaler Brieferschließung (Stefan Dumont)

Den letzten Vortrag hielt Stefan Dumont (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) zu dem Thema „Und was kann man jetzt damit machen? – Vom Potential digitaler Brieferschließung“. Dumont äußert, es gebe drei Teile der Brieferschließung: Die Metadaten, die Volltexte und die Bilddigitalisate.

Stefan Dumont (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften). 
CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Mit einer neuen Methode, dem Distant Reading, können Briefe durch hinzugefügte digitale Normen mit der quantitativen Inhaltsanalyse relativ schnell ausgewertet werden. Auch wäre eine höhere Filterung möglich, die Themen, Orte, Berufe, Netzwerke, Volltextsuche, erwähnte Personen und die verwendete Sprache schnell finden lasse. Es gilt bei der Hinzufügung der Norm, generalisierte, standardisierte Annotationen hinzuzufügen. CorrespSearch ist ein Versuch, der die digitalen Briefe aggregiert und eine Weiterleitung zu der Gesamtausgabe ausgeführt werde. Dabei handelt es sich um einen Webservice, der  Verzeichnisse verschiedener digitaler und gedruckter Briefeditionen nach Absender, Empfänger, Schreibort und Datum durchsuchbar macht.

Abschlussfolie von Stefan Dumont (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften).
CC-BY-SA Liebesbriefarchiv/Debby Trzeciak

Abschluss

Die Förderlaufzeit durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung für das Citizen-Science-Projekt Gruß & Kuss – Briefe digital. Bürger*innen erhalten Liebesbriefe ist geendet, die vielen besonderen Momente gemeinsamer Zusammenkünfte, die wertvollen Perspektiven und Erkenntnisse, die daraus entstanden sind und die Liebesbriefforschung an sich werden aber bleiben! Darüber hinaus wird das Projekt für ein weiteres halbes Jahr mit Eigenmitteln weitergeführt, d.h. die Liebesbriefstammtische werden weiterhin einmal im Monat durchgeführt und Bürgerwissenschaftler*innen haben weiterhin die Möglichkeit, bei der Digitalisierung der Liebesbriefe durch Transkriptionsarbeiten zu unterstützen.

Zum Ende des Jahres ist die Publikation eines Gruß & Kuss-Tagungsbandes geplant, der die obigen Vorträge sowie weitere Beiträge zu Citizen Science und der (Liebes-)Briefforschung versammelt. Die Publikation erfolgt in Open Access und wird zu gegebener Zeit hier mit einem weiterführenden Link ergänzt.


Sie möchten Teil der Liebesbriefforschung des Liebesbriefarchivs und von Gruß & Kuss werden? Dann informieren Sie sich hier über anstehende Veranstaltungen:

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  1. Haklay, Muki. “Participatory Citizen Science.” Citizen Science: Innovation in Open Science, Society and Policy, edited by Muki Haklay et al., UCL Press, 2018, S. 52–62. JSTOR. ↩︎
  2. Vgl. hierzu: Elspaß, Stefan: Sprachgeschichte von unten. Untersuchungen zum geschriebenen Alltagsdeutsch im 19. Jahrhundert. Berlin/Boston 2005 (= Germanistische Linguistik 263). ↩︎
  3. Vgl. dazu Göbel, Claudia/Henke, Justus/Mauermeister, Sylvia/Pasternack, Peer (2022): Citizen Science: Laien-Partizipation an Forschung. In: Pasternack, Peer (Hg.): Wissenschaftskommunikation, neu sortiert. Eine Systematisierung der externen Kommunikation der Wissenschaft. Wiesbaden: Springer, S. 195–204, hier: S. 203f. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-39177-5 ↩︎
  4. Der Hashtag #ichbinhannah ging 2021 auf X (vormals Twitter) viral. Er machte auf die prekären Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler*innen aufmerksam und kritisierte vor allem das Wissenschaftszeitvertragsgesetz des BMBF. ↩︎
  5. Der DabeiRat besteht aus einer Kerngruppe von Bürger*innen, die bei Workshops und an der Entwicklung von Open Educational Resources beteiligt waren. ↩︎

[Ediert am 26.06.2024]


Diesen Blogbeitrag zitieren:
Dietz, Nadine/Dunkelmann, Lena, unter Mitarbeit von Gräf, Marc/Hoffmann, Katharina/Seibert, Carla: Die Gruß & Kuss-Abschlusstagung – ein Nachbericht. In: Liebesbriefarchiv-Blog, 28.03.2024. https://liebesbriefarchiv.de/2024/03/28/die-gruss-kuss-abschlusstagung-ein-nachbericht/ (Datum Ihres letzten Zugriffs).

Kategorien: Gruß & Kuss